BAUS-Exkursion am 3. Juni 2022 zum Schafhauser Portal des Neubau-Tunnels:
Hermann-Hesse-Bahn nimmt Gestalt an
Noch führte der Fußweg, den der gut zwanzigköpfige Wandertrupp am Freitagnachmittag in Weil der Stadt einschlug, über holprigen alten Schotter, aber die frischen Spuren der aktuellen Bauarbeiten an der künftigen Hermann-Hesse-Bahn sind überall unübersehbar. Vom Treffpunkt am Bahnhof Weil der Stadt führte die kleine Exkursion auf den Bahndamm an der Hessestraße, und dann durften die Teilnehmer hochoffiziell über beiden alten Eisenbahnbrücke und das neue dritte Bauwerk marschieren. Eingeladen hatte die Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn (BAUS). Hans-Joachim Knupfer von der Bürgerinitiative erklärte: „Wir werben im Kreis Böblingen für diese Bahnverbindung und für ein künftiges schnelleres Zugangebot zwischen Stuttgart, Weil der Stadt und Calw.“ Holger Schwolow, technischer Geschäftsführer des kommunalen Zweckverbandes Hermann-Hesse-Bahn in Calw, erläuterte die angelaufenen Bauarbeiten.
Fast alle Teilnehmer kamen aus Weil der Stadt. „Obwohl wir auch in Renningen genauso geworben haben, scheint das dort fast niemand zu interessieren“, bedauerte Erwin Eisenhardt vom Förderverein. Mit Genugtuung registrierten dafür die Weiler Teilnehmer, dass die seit 20 Jahren bestehende Brachfläche am Bahnhof Weil der Stadt, wo die Güterhalle stand, jetzt verändern wird. Holger Schwolow beschrieb den künftigen neuen Notbahnsteig, der eine Exklave des Calwer Zweckverbandes auf Böblinger Markung bilden wird. An der Hessestraße fanden die in den Nächten direkt vor der Exkursion angelieferten neuen Schienen Beachtung. „Der alte Schotter wird wieder verwertet“, so Schwolow: „Der ist noch scharfkantig genug.“ Weil das alte Material aber gereinigt wird, was in Heilbronn geschieht, aber sich lange hinzieht, erhält der Zweckverband vom dortigen Lieferant bereits gesäuberten Altschotter, der von anderen Bahnbaustellen stammt.
Die Frage, ob auch Güterzüge fahren werden, konnte Bahnchef Schwolow verneinen: Dafür gebe es in Calw oder im Nagoldtal weder Bedarf noch erlaube der Neubautunnel mit seinen 40 Promille Neigung einen wirtschaftlicher Güterzugbetrieb. Aber auch in Sachen Lärmschutzwände gab es eine verneinende Gebärde: „Die Bahnstrecke war und ist nicht stillgelegt, sondern rechtlich unverändert durchgehend in Betrieb – daher gilt Bestandsrecht und daher hat niemand Anspruch auf Lärmschutz.“ Wer an einer Bahnstrecke baue, wisse, dass dort Züge fahren dürften. Aus dem Kreis der Zuhörer kam allerdings der Hinweis, wie leise heutige Züge seien.
Auf dem Waldweg zum Steckental, auf Waldwegen parallel zum Bahnkörper, stießen die Teilnehmer dann ab dem dortigen Bahnwärterhäuschen auf das noch liegende alte Bahngleis. Von dort war es nicht mehr weit zum Ostportal des Neubautunnels, dessen Baustelle die Gäste nun betreten durften. Aus dem Inneren scholl trotz des nahenden Feiertages nahender Maschinenlärm, so dass die Führung doch nicht in die Röhre hineinging. Der Blick in das hohe, auf dieser Seite bereits voll ausgebrochene Gewölbe war eindrucksvoll genug. Technikmann Schwolow konnte bestätigen, dass die Höhe auch dafür reicht, dass später einmal der elektrische Fahrdraht bis Calw durchgezogen werden könne. „Den Aushub aus dem Tunnel nutzen wir auch, damit wir hier die Rampe anschütten, mit der wir den Übergang von der relativ flachen alten Streckenführung zum steilen neuen Tunnel schaffen“, so der Vize des Zweckverbandes. Mit Erstaunen vernahmen die Zuhörer, dass von und nach Weil der Stadt, auch durch den neuen Tunnel, grundsätzlich mit Tempo 100 gefahren werde: „Das ist eine Schnellverbindung, keine Bimberlesbahn.“ Es zahle sich aus, dass die Schwarzwaldbahn vor 150 Jahren als aufwändige Hauptstrecke mit meist geradliniger Streckenführung erbaut worden sei.
„Für die Zukunft ist die S-Bahn alleine zu langsam, wir brauchen auch eine schnellere Verbindung“, forderte ein Gast aus Weil der Stadt. Hans-Joachim Knupfer konnte aufzeigen, dass dies ein erklärtes Ziel der Bürgerinitiative sei: „Leider versucht der Verband Region Stuttgart nach Kräften, diese beste Lösung auszubremsen.“ Daher sei auch mehr Anschub aus Weil der Stadt zu dieser Idee sehr erwünscht. Ein Teil der Gästeschar ließ den zweistündigen Ausflug in der Gaststätte Säge im Würmtal gemütlich ausklingen und genoss die abendliche Erholung nach dem schweißtreibend schwülen Spätnachmittag.
Holger Schwolow (links) vom Landratsamt Calw zeigt den Platz für den künftigen weiteren Bahnsteig – planmäßig haben die Calwer Züge ihren Halt am Bahnsteig der S-Bahn.
Auf die Brücken über die Bundesstraße und die alte Landstraße folgt die neue Querung der Umgehungsstraße Weil der Stadt, die nach wie vor keine Bundestraße ist, so dass die Stadt Weil der Stadt kostenpflichtig ist, allerdings erleichtert um weitgehende Zuschüsse des Landes.
Vor dem Bahnübergang Malerbuckel, der erneut mit Schranken und Rotampel eingerichtet wird, türmen sich bereits alter und neuer Bahnschotter.
Vor dem Neubautunnel ist links die alte Streckenführung Richtung Schafhausen noch zu erahnen.
Hier geht es in den Schwarzwald: Später werden solche Eindrücke vom Tunnel zu Fuß nicht mehr möglich sein.
Bilder: Knupfer